Ein Mann geht durch die Wand
Durch häufige Wiederholungen im Fernsehen kennen viele die 1959 entstandene Filmkomödie „Ein Mann geht durch die Wand“. Der unvergessene Heinz Rühmann konnte darin tatsächlich durch Wände gehen. An Ostern kommt mir dieser Film fast unweigerlich in den Kopf, weil das Johannesevangelium davon berichtet, wie Jesus „bei verschlossenen Türen“ (Joh 20,19.26) in die Mitte seiner Gefolgsleute tritt. Diese hatten sich aus Angst vor Gefahren regelrecht verbarrikadiert.
Als Jugendlicher empfand ich es als peinlich, dass auch Jesus gleichsam durch die Wand geht. Warum die Übertreibung? Genügt es nicht, wenn wir die Auferstehung glauben sollen? Müssen wir dann auch noch obendrein zusätzliche Wunder bestaunen? Heute denke ich, dass der Film mich auf die falsche Spur gebracht hat. Das Evangelium beschreibt den Auferstandenen nicht als „Supermenschen.“ Auferstehung ist kein besseres Weiterleben, es ist ein ganz neues Leben, das aber dennoch die Identität mit dem bisherigen wahrt. Jesu Wunden sind erkennbar, und er gestattet dem Thomas, diese zu ertasten. Trotzdem gehört der Auferstandene in eine neue Wirklichkeit. Er ist anders lebendig als zuvor. Die neue Identität gibt es aber nur, weil es die bisherige gegeben hat.
Wir alle erleben diese Übergänge in vergleichbarer Weise schon vor dem Tod. Ich trage heute noch denselben Namen wie damals, als ich den alten Schwarzweißfilm sah. Dennoch hat meine Persönlichkeit viele Wandlungen erfahren. Ich bin ein anderer. Der Tod ist die wohl tiefgreifendste Wandlung, die mir noch bevorsteht.
Als Auferstandener wurde Jesus ganz neu und doch als identisch mit sich selbst erfahren. Verschlossene Türen waren kein Hindernis. Seine gewandelte Identität dringt durch Wände und bis in die Herzen. Die Blockade der Angst öffnet sich. Neue Zuversicht entsteht. Dies ist mir inzwischen sehr kostbar: Der Auferstandene rennt nicht erfolglos gegen Wände. Wir dürfen glauben und hoffen, dass Jesus auch in der Gegenwart Verhärtungen und Verschlossenheiten durchdringen kann. Das ist Ostern: wenn die Furchtsamen aufatmen und die Hartherzigen kein Hindernis mehr sind!