Erntezeit
Staubwolken über den Feldern verraten es. Die Mähdrescher sind unterwegs. Es ist Erntezeit. In Windeseile werden Millionen von Körnern in großen Anhängern gesammelt und von gewaltigen Traktoren abtransportiert. Was über Monate entstand, was aus einem kleinen Keim hervorgesprossen ist, kommt nun als ein Konzentrat aus Nährstoffen und Sonne in unsere Getreidesilos.
Auf den Feldern geben für ein paar Tage noch die zusammengewickelten Strohballen, ein letztes Zeugnis davon, was hier vom Spätherbst an durch den ganzen Winter hindurch bis in den warmen Sommer hinein gewachsen ist.
Es ist der Zyklus von Leben und Tod. Die abgeschnittene Generation ist die Grundlage für eine neue Aussaat.
Jesus sagt, mit dem Reich Gottes ist es so, „wie wenn ein Mann Samen auf seinen Acker sät … Der Samen keimt und wächst … Die Erde bringt … ihre Frucht, zuerst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; denn die Zeit der Ernte ist da“ (Markusevangelium, Kapitel 4).
Gott will, dass wir Menschen uns ausbilden und wachsen können. Er will, dass wir unser Leben bis zur Reife bringen. Er will aber auch, dass wir der nächsten Generation wieder Platz machen und unsere angesammelte Kraft in die Zukunft investieren. Das ist Gottes Reich: Wachstum, Entfaltung und Leben für alle. Die Erntezeit erfüllt eine ambivalente Melancholie. Es ist wie ein schöner Sonnenuntergang. Auf die Romantik folgt Dunkelheit. Aber es wartet ein neuer Tag.
Pfarrer Dr. Christof Strüder